Ist Ihre Patientenverfügung noch wirksam?

Sind Sie auch schon dem allgemeinen Trend erlegen und haben eine Patientenverfügung errichtet oder errichten lassen? Immer mehr Menschen setzen in Zeiten leerer öffentlicher Kassen auf Private Altersvorsorge. Daneben schwingt der sehnliche Wunsch nach Selbstbestimmung „bis zum Schluss“ mit.
Durch eine Patientenverfügung können wir vermeiden, dass sich der Staat in unseren Sterbeprozess einmischt und die Entscheidung über die Art und Weise des letzten und schwersten Ganges im Leben Dritten überlässt. Denn nur jetzt – im Zustand voller Einwilligungsfähigkeit – ist es uns möglich, Entscheidungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit zu treffen.
Dabei gestaltet es sich gar nicht so einfach, seinen Willen rechtlich verbindlich zu formulieren. Für große Unsicherheit sorgten zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 2016 und 2017. In beiden Fällen hatte der BGH eine weit verbreitete Patientenverfügungsvorlage der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern aus dem Jahre 1989 auf dem Tisch.
Der BGH führte aus, dass eine Patientenverfügung nur dann unmittelbare Bindungswirkung entfalte, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt werden soll und welche nicht. Nun werden Sie berechtigterweise den Einwand erheben, dass es weder möglich ist, seine gesamte Biografie vorauszuahnen, noch die zukünftigen Entwicklungen in der Medizin zu berücksichtigen. Beruhigender Weise wird dies auch nicht vom Verfasser einer Patientenverfügung erwartet. Fakt ist, dass Formulierungen wie die allgemeine Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, oder der pauschale Verzicht auf das Leben verlängernde Maßnahmen zu unbestimmt sind und keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten.
Im zugrundeliegenden Beschluss des BGH aus 2017 hatte die Betroffene, welche bereits im Mai 2008 einen Schlaganfall erlitt und sich seit dem in einem wachkomatösen Zustand befindet, unter anderem verfügt:
„Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. Dagegen wünsche ich, dass medizinische Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist, … dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, oder dass aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurück bleibt…“
Für diese Situationen wünscht sich die Betroffene Behandlung und Pflege, die auf die „Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet ist, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist….“ Bereits vor ihrem Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach im Kreise ihrer Familie und angesichts zweier Wachkomapatienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, dass sie nicht so daliegen und lieber sterben wolle. Ihr könne so etwas nicht passieren, weil sie eine Patientenverfügung habe.
Umso tragischer ist es, dass die Verfasserin, trotz ihrer Patientenverfügung über mehrere Jahre im Zustand des Wachkomas ohne realistische Chance auf Verbesserung ihres Gesundheitszustands mit einer PEG Magensonde versorgt wurde, denn man konnte ihrer Patientenverfügung keinen eindeutigen Willen entnehmen, die künstliche Ernährung in ihrer gegenwärtigen Lage einzustellen. Damit ist für die Betroffene genau die Situation eingetreten, die sie ursprünglich vermeiden wollte.
Es ist daher dringend anzuraten, Ihre Patientenverfügung bestenfalls mit anwaltlicher Unterstützung dahingehend zu überprüfen, ob diese den aktuellen Erfordernissen standhält und insbesondere die beiden Elemente der konkreten Situationsbeschreibung mit der entsprechenden Handlungsanweisung enthält.

Dana Adler
Rechtsanwältin & Mediatorin